Verkäufer:innen in Gent – meine erste Portraitserie (2006)

Diese Fotoserie ist das Ergebnis von mir, als ich zum ersten Mal aus meiner Komfortzone heraustrat, um Fotos zu machen.

Inspiriert von der großartigen Arbeit meiner Kolleg:innen des Fotokollektivs “Het Spoor”, nahm ich meine Nikon-Kamera heraus, um Verkäufer:innen in der “Veldstraat” in Gent zu ehren. Das war im Dezember 2006. Sie wurden schlecht bezahlt und arbeiteten hart, um den Weihnachtsverkauf vorzubereiten. Sie waren immer freundlich und hilfsbereit, aber sie blieben trotzdem unsichtbar für die Kunden, die nach passenden Geschenken suchten. Das wollte ich ändern. In meiner Naivität habe ich es geschafft, sie zum Lächeln zu bringen, sie stolz zu machen und sie zu sehen (und ich habe keinen einzigen Abpraller bekommen!!)

Der Grund, diese Bilder aus meinem Schrank zu holen, ist jedoch nicht, um damit zu prahlen (obwohl ich ziemlich stolz darauf bin).  Der Grund, sie zu zeigen, ist eine Geschichte, die mir meine Südwind-Kollegin Nora Niemetz erzählte. Wir sprachen über ihre Schwierigkeiten, Daten für eine Scan-App für faire und ökologische Supermarktprodukte zu sammeln. Sie brauchte Zahlen über die am meisten verkauften Keksmarken in bestimmten Geschäften und fand keine Möglichkeit, diese Art von Statistiken zu bekommen. Mein Vorschlag war, die Verkäuferinnen und Verkäufer zu fragen, denn sie wüssten, welche Produkte sie jede Woche am meisten nachfüllten. Ich war schockiert, als ich hörte, dass sie es bereits auf diese Weise versucht hatte, dass sich aber alle Verkäuferinnen geweigert hätten mitzumachen. Sie durften keinerlei Geschäftsinformationen weitergeben und hatten dazu mehrere Klauseln im Arbeitsvertrag unterschrieben.

2006 gab es nur eine Verkäuferin, die ihren Chef fragen musste, ob es in Ordnung war, dass sie porträtiert wurde. Niemand hat damals über Verträge geredet oder auch nur daran gedacht, dass dies gegen die Marketingstrategie oder die Corporate Identity verstoßen könnte. Die eine Mitarbeiterin die fragen musste, erhielt nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Chef die Genehmigung, ohne dass ein Sicherheitsbeamter nach mir sah. Und wenn ich es mir recht überlege, gab es 2006 in der Veldstraat überhaupt keine Sicherheitsleute.

Die Geschichte von Nora hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich glaube, ich bräuchte heute viel mehr Planung und Überzeugungskraft, um eine Ehrungsarbeit wie in 2006 durchzuziehen.

Einige Bilder des Projekts Verkäufer:innen in Gent findest du hier: Fotoprojekt_VerkauferinnenInGent