Soziale Stratifizierung (2016)

Von Zeit zu Zeit denke ich über das Wesen meiner fotografischen Arbeit nach, genau wie es ein bewusster und neugieriger Fotograf tun sollte. Es dauert nämlich eine Weile, bis man den Kern des eigenen Schaffens durchschaut. Ich hatte mich nie bemüht eine Beschreibung zu formulieren, die die Motivation hinter meine Fotografie auf den Punkt bringt.

Nachdem ich eine Online-Diskussion über das “Klassen”-Konzept von Martin Parr entdeckt hatte, wusste ich, dass es nicht die Darstellung der Konsumgesellschaft und den Menschen in ihr war, dass meine Arbeit antrieb. Ich entdeckte, dass die gesamte Motivation meiner Arbeit als eine Reflexion über und eine Darstellung sozialer Schichtung zusammengefasst werden kann. Die Menschen und Situationen die ich fotografiere, werden erst interessant, wenn man sie im Zusammenhang mit der ihnen umgebenden und überragenden sozialen Hemisphäre betrachtet. Deshalb liebe ich es, zum Beispiel, den Kontext eines Motivs in den Bildausschnitt einzubeziehen. Als Test habe ich mir mein erste (aus 2006) Fotos angeschaut, und festgestellt, dass sie die soziale Schichtung noch stärker veranschaulichen als meine derzeitigen Arbeiten. Ich bin gespannt, wie lange diese neue “beste Beschreibung” meiner Arbeit Bestand haben wird.

Was genau ist meiner Meinung nach soziale Schichtung? Soziologen streiten sich über die Art der relevanten Fraktionen innerhalb menschlichen Populationen. Für mich werden Klassen durch die Arbeit definiert, die die Menschen zu verrichten haben. Es gibt diejenigen, die jede Arbeit annehmen müssen, um zu überleben. Dann gibt es diejenigen, die den Luxus haben, wählerisch zu sein bezüglich welcher Arbeit sie wählen, um in Würde zu leben. Und dann gibt es natürlich diejenigen, die überhaupt nicht arbeiten müssen, um sich alle ihre Träume zu erfüllen. Folglich geht es aus meiner Sicht bei der sozialen Schichtung um geistige und körperliche Mobilität und Freiheit.

Diejenigen, die ein gutes Einkommen haben, das mit selbstbestimmter Arbeit zusammenhängt, fühlen sich sicher und können ihr Leben so gestalten, wie sie es sich wünschen. Diejenigen, die sich abmühen müssen um die Grundbedürfnisse zu befriedigen, während sie unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden, fühlen sich müde und haben nur die Kraft sich auf kurzfristige Ziele zu konzentrieren. Daher verpassen sie möglicherweise die Chancen, die ihr Leben verbessern könnten. Der Unterschied zwischen einem Leben, das im Überlebensmodus verbracht wird, und einem Leben, das die Energie hat die Welt zu betrachten, bestimmt im Grunde alles: Selbstwertgefühl, soziales Auftreten, Netzwerke, strategisches Verhandeln, soziale Akzeptanz usw. Letztendlich geht es bei der sozialen Schichtung nicht um das Geld, sondern um Leichtigkeit und Möglichkeit.

Ich glaube, die meisten meiner Fotografien illustrieren Menschen auf den Weg zu ihren Träumen oder Enttäuschungen.

Diese neue Einsicht half mir, meine fotografische Praxis weiter zu verfeinern.

Einige Bilder des Projekts Soziale Stratifizierung findest du hier: Fotoprojekt_SozialeStratifizierung